De-Phazz & Co Music to unpack your Christmas present
Heidelberger Lounge-Punks veröffentlichen erstes Winterweihnachtsalbum
Sie sind eine Macht – aber eine gute, eine sanfte, eine fast geheime Macht. Seit über 20 Jahren beflügelt der magisch-leichte Sound von De-Phazz das Ohr, befreit das Bewusstsein, schickt die Gedanken auf Reisen. Die Heidelberger sind die Stamm- und Statthalter von Lounge und Easy Listening – eine Macht, die den Geist entrückt und das Tanzbein verzückt, die uns mit jedem Track in neue Atmosphären katapultiert. Eine Fusion aus Samba und Soul, Trip-Hop und Jazz, Latin und R’n’B, bei der man förmlich den Sand unter den Füßen spürt, die Sonnenstrahlen auf der Haut, die salzige Luft in der Nase.
Wie aber passt diese Atmosphäre zum stimmungsvollsten Fest aller Feste, zur behaglichen Aura und zauberhaften Magie der winterlich kühlen Weihnacht? Das passt perfekt, wenn man „Music to unpack your Christmas present“ erstmal auswickelt: Vom ersten Ton an fühlt und versteht man: Ob Chillen im Café del Mar oder Kuscheln unter dem Weihnachtsbaum – es geht, wie immer bei De-Phazz, einfach um die Kraft der richtigen Stimmung. Man fragt sich nur, warum die selbsternannten Lounge-Punks erst jetzt mit ihrem ersten Winterweihnachtsalbum um die Ecke kommen, nach mittlerweile 15 Longplayern?
Warum auch immer, ganz wie gewohnt – gekonnt subtil – entführen uns De-Phazz in ihre phantastische Weihnachtswelt, die irgendwo an der Copacabana zu liegen scheint: Zupft hier Antônio Carlos Jobim selbst den Bossa Nova, während João Gilberto und seine Frau Astrud auf Phantasie-Silben singen, „ba-di, ba-du, ba-dong“? Der Track nennt sich „Sua Alegria“, also „Deine Freude“; es sind Ulf Kleiner und Caro Trischler! Ersterer zaubert am Klavier noch eine relaxt-jazzige Melodie dazu, die sich halb einfügt, die uns aber auch mehr erzählen könnte, wenn wir sie nur zu fassen bekämen! Und dann fällt der Groschen, der Track heißt ja auch entsprechend: Das ist „Oh du fröhliche!“. Deutsche Weihnachtsklassiker, feinstens verquickt, mit Witz und Skills.
Das bleibt das Rezept für das gesamte folgende Album; dies war, so Produzent Pit Baumgartner, der Ehrgeiz und auch der Spaß bei der Produktion: eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Weihnachtsthemen „in der zweiten Reihe“ spielen. Wer will auch schon mit der Nase direkt in die Knickebein-Kugeln gestupst werden? Das „Gloria“ („In excelsis Deo“) kommt als kompletter Reggae-Dub daher, das alpenländische Adventsspiel „Wer klopfet an?“ in bester James-Last-Mentalität und dazu noch mit Anklängen des Herb Alpert-Klassikers „What now my love?“, weltbekannt durch die Elvis-Show „Aloha From Hawaii“. „Ihr Kinderlein kommet“, „Jingle Bells“ und als Bonbon „Douce Nuit“ („Stille Nacht“) japanisch und französisch gesungenen Lyrics – nie war Weihnachten so gut abgehangen, so tiefenentspannt.
Hochspannung bietet das Album besonders bei den Neu- und Eigenkompositionen. Sandie Wollasch säuselt ihr süßes „Little Boy“ und das ohrwurmige „Dingdong Day“ mit einem Selbstverständnis, als wären sie bereits Weihnachtklassiker vom Schlage eines Doris Day‘schen „Winter Wonderland“: sweet wie eine Pumpkin Spice Latte. De-Phazz Stamm-Chanteuse Pat Appleton feiert ihr orchestrales „Noel Alone“ im Pyjama zwischen Seidenlaken, den Telefonhörer neben der Gabel. Später, im soft-rockigen „Snow Gone“, kanalisiert sie den allseits bekannten Weihnachtsblues, wenn statt Schnee nur der graue Regen gegen die Fensterscheiben klatscht. Frontsänger Karl Frierson dreht derweil in „Christmas Treats“ völlig funky und frei, und dass nur wegen seiner kokos-schokoladigen Weihnachtsleckerlis; Jeanne Crémer schreibt einen „Lettre au Père Noel“ und haucht wie eine junge Carla Bruni, ergreifend fragil vor einem einfachen Gitarrenarrangement.
Noch weiteres Personal taucht auf dem Album auf, Gastmusiker, Freunde. Schließlich ist Weihnachten ein großes Get-Together, wenn die ganze Familie zusammenkommt – so hören wir hier die Schwester von…, dort die Tochter von…, die Freundin von…, den Ex von…! Dabei kamen, abstands-bedingt, nicht einmal alle Musiker für diese Produktion an einen Ort zusammen; einige haben sich bis heute nur virtuell getroffen. Der Schriftzug „De-Phazz & Co“ auf dem Cover geht dennoch mehr als in Ordnung.
Das Cover wirft aber auch Fragen auf: Warum ist laut Albumtitel nur ein Geschenk auszupacken, im Singular? Eine neue Konsum-Ökonomie? Wo doch das Album so viel herrlich-buntes, akustisches Packpapier zu bieten hat? Und schließlich ähnelt der Schriftzug von „De-Phazz & Co“ in seiner Typo doch haargenau dem Markenlogo des Juweliers „Tiffany & Co“, die Top-Adresse für teure Geschenke! Dazu passt, dass der Echo-Jazz-Trompeter Joo Kraus eine einzigartige Fassung von „Moon River“ zum Album beigesteuert hat, dem Klassiker aus „Breakfast at Tiffany’s“. Auch eine passende Schmuckschatulle ist auf dem Cover abgebildet – doch darin liegt kein teures Bling Bling, sondern eine blau schimmernde Feder. Nun, wenn man zu Weihnachten einfach nur Leichtigkeit verschenken könnte… dann würde das wohl so aussehen. Oder so klingen wie De-Phazz.
VÖ: 13. November 2020
Label: Phazz-a-delic New Format Recordings/Alive
Vertrieb: alive (physisch) / finetunes (digital)
EAN 4260082360997